2. Besondere demographische Zusammensetzung der Vertriebenen

 

Wie auch schon 2015 gilt, dass ankommende Geflüchtete keine homogene Gruppe sind. Etwa die Hälfte aller ukrainischen Geflüchteten sind Kinder, 80% der Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter sind Frauen (OECD, 2022). Auch unter den in Wien ankommenden Ukrainer*innen sind Frauen mit Kindern sowie ältere Menschen beiderlei Geschlechts (über 60 Jahre) überrepräsentiert: Insgesamt waren am 12. Mai 2022 rund 21.000 ukrainische Flüchtlinge in Wien gemeldet (mit Haupt- oder Nebenwohnsitz), 88% davon sind Frauen. Auch 85% der beim AMS vorgemerkten Personen sind weiblich (rund 1.000), die Hälfte davon Akademikerinnen. In Wien wurden bereits 300 Beschäftigungsbewilligungen ausgestellt, in Gesamtösterreich 1.850. Bisher sind 16.000 der ukrainischen Vertriebenen in Wien in der Grundversorgung gemeldet und mehrheitlich privat untergebracht (Stadt Wien, Stand 12.5.2022). 

Als weitere relevante Gruppe unter den Ankommenden sind Personen mit besonderen Bedürfnissen zu nennen, darunter Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Beeinträchtigung oder mit erhöhtem Pflegebedarf. Zuletzt sind unter den Geflüchteten auch unbegleitete Minderjährige und Waisenkinder. Auf ihre Grundbedürfnisse gilt es Rücksicht zu nehmen und sie bei Unterbringung und Versorgung sicherzustellen. Anders als im Jahr 2015 bringen viele Geflüchtete ihre Haustiere mit, die ebenfalls betreut werden müssen, was bei manchen privaten Quartiergeber*innen aus Platz- und anderen Gründen nicht möglich ist. Eine dauerhafte Trennung von ihren Tieren kann ohnehin bereits schwer gestresste, teils traumatisierte Personen noch weiter belasten.

Da Frauen mit kleinen Kindern andere Bedürfnisse als beispielsweise Senior*innen haben können, müssen Unterstützungsangebote zielgruppengerecht gestaltet werden, sowohl unmittelbar als auch mit Blick auf mittel- und langfristige Integration. So erfordert die geschlechtsspezifische und sozio-demographische Zusammensetzung der Geflüchteten frauen-, familien- und Care-bezogene Maßnahmen. Es braucht insbesondere verstärkt Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf mit Familie und Kinderbetreuung. Erste Berichte von Frauenhandel unterstreichen die Notwendigkeit der Information und der Arbeit von Unterstützungsorganisationen in diesem Feld. Nicht zuletzt aufgrund der überwiegend privaten Unterbringung gibt es Meldungen über sexualisierte, geschlechtsspezifische Gewalt gegenüber Frauen. Die Arbeit von Gewaltschutzeinrichtungen ist daher besonders zu unterstützen.    

Dies verdeutlicht,  dass im Zuge der Fluchtbewegung 2015 geschaffene Integrationsangebote nicht 1:1 übernommen werden können, da es sich um eine soziodemographisch gänzlich andere Gruppe handelt, deren Bedürfnisse und Ressourcen sich von jenen unterscheiden, die in den letzten sechs bis sieben Jahren nach Österreich kamen. Daraus folgt der Bedarf an zielgruppengerechter Unterstützung für die unterschiedlichen soziodemographischen Gruppen von Geflüchteten, den wir in den folgenden Abschnitten näher beleuchten werden.