6. Bildungspolitische Aufgaben
Da unter den Geflüchteten besonders viele (kindergarten- und schulpflichtige) Kinder sind, ist auch das Bildungssystem intensiver gefordert als in früheren Wanderungsbewegungen.
Die Ausgangssituation der geflüchteten Kinder und Jugendlichen ist eine andere als 2015. Da eine Mehrheit der Geflüchteten so bald wie möglich in die Ukraine zurückkehren will, muss auch der Aspekt der pädagogischen Kontinuität berücksichtigt werden. Ukrainische Lernmaterialien und vor allem Distance-Learning sind wichtig. Den neuen Schüler*innen sollen daher möglichst schnell Laptops (Leihgeräte) zur Verfügung gestellt werden, um ihnen so die Teilnahme am ukrainischen Unterricht von zu Hause aus zu ermöglichen. Das enge Korsett der Deutschförderklassen, auf dessen Fortsetzung das Bildungsministerium besteht, erschwert einen flexiblen Unterricht. Dennoch sollte, aus den erwähnten Gründen, der Fokus nicht ausschließlich auf den Erwerb der deutschen Sprache gelegt werden.
Aufgrund der akuten Personalnot könnte man zur Unterstützung auch zweisprachige Geflüchtete (Ukrainisch und Deutsch/Englisch) in den Schulen anstellen, die den Lehrkräften als sprachliche Vermittler*innen zur Seite stehen. Dieses Personal kann vorübergehend auch ohne pädagogische Ausbildung sein und als sprachliche “Vermittler*innen” dienen. Dringend wird auch zusätzliches psychologisches Personal benötigt, ebenso wie Schulsozialarbeiter*innen. Auch hier sollte man Fachkräfte unter den Geflüchteten suchen. Kooperation mit auf Flucht und Traumatisierung spezialisierten Vereinen/Institutionen kann Abhilfe schaffen.
Aufgrund von Raumnot wurden in Wien “Neu in Wien-Klassen” eingerichtet. Für sie gilt der Lehrplan der Deutschförderklassen. Diese sind ab 8 Schüler*innen einzurichten, die Höchstzahl ist 25. Die AHS - und teilweise auch die BHS - sind angehalten, auch mehr als 7 Schüler*innen aufzunehmen, um durch die Eröffnung von Deutschförderklassen eine Verteilung der Schüler*innen auf mehrere Schultypen zu gewährleisten und den Schüler*innen zu ermöglichen, die in der Ukraine begonnene Bildung fortsetzen zu können. In diesen NiW Klassen sollten zwei Lehrpersonen eingesetzt werden und es sollten so viele soziale Begegnungsmöglichkeiten mit Schüler*innen aus Regelklassen wie nur möglich geschaffen werden (etwa durch Lehrausgänge, Ausflüge, Ausstellungen, Museen, Konzerte). Immer soll dabei der Einsatz von Eltern mitbedacht werden, vor allem bei jüngeren Schüler*innen. In einer ersten Phase können diese NiW-Klassen als Chance gesehen werden, wenn sie möglichst flexibel gehandhabt werden und gezielt psychologische Unterstützung für eine homogene Gruppe mit ähnlichen Erfahrungen stattfindet. Angebote wie “Mama lernt Deutsch” sollten forciert werden.
Kindergärten sind besonders wichtig, nicht nur das verpflichtende letzte Kindergartenjahr. Da der Personalmangel hier besonders groß ist, sollten in der Ukraine ausgebildete Elementarpädagog*innen ebenso wie Assistenzkräfte aus dem Kreis der Geflüchteten zum Einsatz kommen, auch wenn sie ein entsprechendes Deutschniveau noch nicht erreicht haben. Das Gleiche gilt für Hortplätze, die ausreichend zur Verfügung gestellt werden müssen, u.a. als weitere Begegnungsmöglichkeit mit deutschsprachigen Kindern. Auch mittel- und längerfristig darf auf diese Personalressource nicht verzichtet werden.
Da unter den aus der Ukraine Geflüchteten großteils Frauen und minderjährige Kinder sind, sind ganztägige Angebote in Kindergarten und Schule bereitzustellen, da dies den Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Mittel- und längerfristig sollten solche Angebote (Ganztagsschulen, Nachmittagsbetreuung, Hort) die Regel sein.