Stellungnahme des Wiener Integrationsrats zum 20-jährigen Bestehen der Grundversorgung
Aus Anlass des 20-jährigen Bestehens der Grundversorgung weist der Wiener Integrationsrat W.I.R. auf Erreichtes und auf bestehende Herausforderungen hin. Positiv hervorzuheben ist, dass die Stadt Wien als einziges der 9 Bundesländer die in der Grundversorgungsvereinbarung Art. 15a B-VG festgehaltene Quote der aufzunehmenden Asylwerbenden über Jahre hinweg übererfüllt hat. Wien kommt damit seiner Verantwortung für die Gewährleistung einer einheitlichen Versorgung für Asylwerbende, subsidiär Schutzberechtigte, ukrainische Vertriebene und andere schutz- und hilfsbedürftige Fremde nach. Gleichzeitig sind damit aber auch die anderen Bundesländer in der Pflicht, weil durch die Nichterfüllung ihrer Quoten das ursprüngliche Anliegen einer fairen Verteilung nicht gänzlich erreicht werden konnte.
Bundesweit besteht Optimierungsbedarf im Bereich der Finanzierung. So stellte ein Rechnungshofbericht zur Wiener Grundversorgung (Prüfungszeitraum 2014 bis 2018) fest, dass die Kostensätze deutlich unter jenen anderer sozialer Unterstützungssysteme liegen, etwa der Wohnungslosenhilfe. Das bewirkte in der Vergangenheit immer wieder Engpässe in der Unterbringung, weil NGOs zusehends nicht mehr imstande sind, mit zu niedrigen Kostenhöchstsätzen neue Quartiere zu eröffnen. Teuerung und Inflation haben die Thematik in den letzten Monaten noch verschärft, da eine jährliche Teuerungsanpassung nicht vorgesehen ist. Das Wiener Pilotprojekt für ein transparentes Realkostenmodell für Flüchtlingseinrichtungen, das seit 2023 umgesetzt wird, könnte richtungsweisend sein. Das betrifft in Wien etwa 5.800 Personen, denn der Großteil der Grundversorgungsbeziehenden in Wien (rund 26.000 Personen) ist privat untergebracht.
Der Wiener Integrationsrat weist auch auf die Gefahr der Grundversorgungsregelung als Inaktivitätsfalle hin. Dies zeigt sich aktuell anhand des Beispiels ukrainischer Vertriebener, die in der eigentlich temporär gedachten Grundversorgung festgefrorenen sind. Die geringen Zuverdienstgrenzen und Gefährdung der damit einhergehenden Unterkunft erschweren die dauerhafte Erwerbsaufnahme. Zudem ist die Grundversorgung mit strengen Vorgaben zum Ansparen von Vermögen verbunden. Aus diesem Grund empfehlen wir, erstens die Zuverdienstgrenzen in der Grundversorgung generell, das heißt für alle schutz- und hilfsbedürftigen Fremden, zu erhöhen und zweitens Personen mit Schutzstatus und Arbeitsmarktzugang, wie ukrainische Vertriebene und subsidiär Schutzberechtigte, die mittlerweile mehr als 2 Jahre in Österreich aufhältig sind, in die höhere Mindestsicherung zu überführen, was mit einer verpflichtenden Meldung beim AMS einhergehen würde. Dies kann aktivierend für die Arbeitsaufnahme wirken.
Zuletzt betont der Wiener Integrationsrat den akuten Handlungsbedarf für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMFs). Der Kostenersatz für die Betreuung im Rahmen der Grundversorgung ist mangelhaft und stellt eine eklatante Ungleichbehandlung im Vergleich mit heimischen Kindern dar. Es wird dringend empfohlen, geflüchteten Kindern und Jugendlichen vom 1. Tag in Österreich an eine*einen Obsorgeberechtigte*n zur Seite zu stellen.