4. Wohnen

 

Viele Migrant*innen, vor allem Arbeiter*innen und andere Gruppen mit niedrigem Einkommen und einer Randstellung am Wohnungsmarkt wie Geflüchtete, wohnen schlechter und teurer als der Durchschnitt der Bevölkerung. Obwohl sich im Laufe der Jahrzehnte die Wohnsituation von Migrant*innen verbessert hat, sind beengte und insgesamt weniger gut ausgestattete Wohnverhältnisse nach wie vor an der Tagesordnung. Laut dem Wiener Integrationsmonitor (2020) haben Migrant*innen aus Drittstaaten 35 Prozent weniger Wohnfläche zur Verfügung als Wiener*innen ohne Migrationsbiographie. In überdurchschnittlich beengten Wohnverhältnissen leben Migrant*innen aus der Türkei. Zahlreiche internationale Studien dokumentieren, dass Überbelag sowohl das COVID-19-Erkrankungsrisiko als auch die quarantäne-bedingten (meist psychischen) Belastungen massiv erhöht (OECD, 2020). Besonders herausfordernd bei geringen Raumressourcen ist die Bewältigung der Anforderungen von Home-Office und Home-Schooling. Die Pandemie hat das Ausweichen in öffentliche Räume phasenweise sehr erschwert. Dies betrifft die Nutzung von städtischen Freiräumen ebenso wie Angebote der offenen Jugendarbeit oder offene Kinderbetreuungseinrichtungen.

Einen besonderen Stellenwert hat Wohnen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit. Vor allem unter Migrant*innen aus dem südosteuropäischen Raum und der Türkei richten sich Pflegeerwartungen vielfach an die eigene Familie, und zwar in der eigenen Wohnung oder bei den erwachsenen Kindern (Reinprecht & Rossbacher 2016). Beengte und schlecht ausgestattete Wohnungen bilden eine ungünstige Voraussetzung für eine gute Betreuung erkrankter oder pflegebedürftiger Familienmitglieder. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig gerade auch in Haushalten mit Migrationshintergrund eine professionelle und aktiv angebotene Hilfe und Unterstützung für chronisch überlastete pflegende Angehörige ist.

Massiv erhöht hat die Pandemie auch das Risiko von Wohnen als Armutsfalle. Zeitlich befristete Maßnahmen wie Mietstundungen und die Aufschiebung von Räumungsexekutionen hatten im ersten Jahr der Pandemie zwar einen unmittelbar entlastenden Effekt. Mit zeitlicher Verzögerung wächst jedoch – aufgrund von Einkommensminderungen (etwa durch Kurzarbeit) und Arbeitsplatzverlust, von denen vor allem Drittstaatsangehörige überdurchschnittlich betroffen waren – die Gefahr, dass aus der Gesundheits- eine veritable Armutskrise wird.

Empfehlungen

Um der Gefahr einer Anhäufung von Mietschulden und Stundungszinsen vorzubeugen, von der vor allem einkommensschwache Haushalte betroffen sind, wäre es wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass es durch die Pandemie zu keinen existenziell bedrohlichen Spätfolgen kommt. Zu den Maßnahmen, die das Risiko eines Wohnungsverlusts minimieren, zählen Mietstundungen und ein Aussetzen von Räumungsklagen, aber auch niederschwellige Anlaufstellen. Dabei kann auf die Erfahrungen der sozialen Wohnungssicherung zurückgegriffen werden. Informations- und Hilfsangebote, bei denen vulnerable Haushalte aktiv aufgesucht und angesprochen werden, sollten als Mittel der Delogierungsprävention gestärkt und ausgebaut werden.

Die Stadt Wien verfügt über eine Reihe an bewährten, sozialräumlich sehr gut integrierten und niederschwellig zugänglichen Einrichtungen, die hervorragend geeignet sind, Menschen in ihrem Wohnumfeld zu erreichen und bei Problemen und Konflikten unterstützend einzugreifen. Gebietsbetreuungen, Wohnpartner (Wiener Wohnen) und Regionalstellen der Stadt Wien – Integration und Diversität bilden auch und besonders für Haushalte mit Migrationshintergrund wichtige Anker im Wohnumfeld. Sie verfügen über Ressourcen, die für die Bewältigung der Herausforderungen und Folgen der Pandemie wesentlich sind. Die Pandemie unterstreicht die Notwendigkeit, diese Einrichtungen zu stärken, auszubauen und an den Bedürfnissen der Zielgruppen auszurichten.