5. Ausgrenzung und Diskriminierung

 

Zahlreiche Studien belegen, dass die Pandemie gesellschaftliche Spaltungstendenzen befeuert hat. Für Integration, die per Definition gesellschaftliches Zusammenwachsen anstrebt, ist das eine problematische Entwicklung.

Verschiedene Minderheiten haben im Zuge der COVID-19 Pandemie verstärkt mit Ausgrenzungserfahrungen zu tun gehabt. Menschen, denen asiatische Herkunft zugeschrieben wird, waren vor Pandemiebeginn eine im Wiener Kontext wenig problematisierte Gruppe, die nun offenbar aufgrund des geographischen Ursprungs von COVID-19 vermehrt mit Anfeindungen konfrontiert ist, auch wenn dazu noch wenig empirische Forschung vorliegt (WZ Online 2020). Weitere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die bei Dokumentationsstellen im Zuge der Pandemie vermehrt wahrgenommen werden, sind Antisemitismus und Anti-Muslimischer Rassismus. Die Zahl aller berichteter Vorfälle bei der Beratungsstelle Zara ist 2020 gegenüber dem Vorjahr um 1.089 Meldungen gestiegen (Zara 2021).

Insbesondere Berichte über Vorfälle von Hass im Netz sind im Zuge der Pandemie deutlich angestiegen. Eine möglich Ursache dafür liegt in einer verstärkten Verlagerung des Lebens in virtuelle Räume als Folge von Ausgangsbeschränkungen (Zara 2021). Befunde zu Hass im Netz können nicht unmittelbar auf Wien oder Österreich bezogen werden, da Onlineräume entgrenzt funktionieren. Eine Studie für den deutschen Sprachraum zeigt aber, dass unter extremistischen Gruppen, die in der Pandemie vor allem online vermehrten Zulauf erfahren haben, insbesondere rechtsextreme Akteure erfolgreich mobilisieren konnten. In deren Narrativen werden Geflüchtete und Muslim*innen für die Verbreitung der Krankheit und die einschränkenden Maßnahmen verantwortlich gemacht, ebenso finden sich in ihren Verschwörungstheorien antisemitische Ideen (Guhl/Gerstner 2020).

Wissenschaftliche Befunde entkräften zahlreiche Vorurteile, die Migrant*innen in Verbindung mit COVID-19 entgegengebracht werden. Beobachtungen, wonach diese vermehrt intensivmedizinischer Behandlung bedürfen, können durch die beiden Faktoren des sozioökonomischen Hintergrundes und der vermehrten Beschäftigung in körpernahen Dienstleistungsberufen, nicht zuletzt auch im Gesundheitssektor, besser erklärt werden als durch den Migrationshintergrund (Lewicki 2021). Die Behauptung, dass unter Migrant*innen besonders hohe Impfskepsis herrsche, belegen empirische Studien ebenso wenig. Laut dem COVID-Panel der Universität Wien ist der Migrationshintergrund eine für die Impfbereitschaft kaum entscheidende Variable (Partheymüller et al. 2021).

Obwohl zahlreiche Vorurteile in wissenschaftlichen Arbeiten entkräftet werden, werden diese von unterschiedlichen Gruppen weiter geschürt. Dazu zählen einerseits etwa die genannten rechtsextremen Gruppen, die Verschwörungstheorien abseits jeder Faktenlage verbreiten. Andererseits gibt es auch innerhalb des demokratischen Parteienspektrums in Österreich immer wieder politische Akteur*innen, die Vorurteile gegen Migrant*innen in Verbindung mit COVID-19 befeuern (SOS-Mitmensch 2021). Ebenso ist dies immer wieder in der medialen Berichterstattung der Fall. Dieses Schüren von Vorurteilen von verschiedenen Seiten ist wohl auch in Verbindung mit steigenden Fallzahlen rassistischer Übergriffe zu sehen.

Empfehlungen

Derartige Entwicklungen sind in zahlreichen Staaten und Städten dokumentiert und keine Wiener Besonderheit. Die Stadt als Kontaktzone (Pratt 1991) bietet im Gegenteil bessere Voraussetzungen, um Maßnahmen gegen solche Entwicklungen zu setzen. Wir empfehlen daher eine konsequente Fortsetzung der Antidiskriminierungspolitik der Stadt sowie den bedarfsorientierten Ausbau bestehender Anlauf- und Meldestellen. Mittels Informations- und Aufklärungskampagnen kann zu einer Sensibilisierung der Stadtbevölkerung beigetragen werden. Für alle in Wien lebenden Menschen muss deutlich sein, dass Diskriminierung, Hassrede (on- wie offline) und (antimuslimischer) Rassismus keine Kavaliersdelikte sind und das friedliche Zusammenleben und den Wohlstand der Stadt gefährden.